Karin Thomas: Engagierte Leidenschaft und professionelle Neugier

Als Gerhard Richter 1972 die bundesrepublikanische Kunstszene auf der 36. Biennale von Venedig mit seinen Gemälden repräsentierte, druckte Dieter Honisch, seinerzeit verantwortlicher Kommissar für den deutschen Pavillon, im Katalog einen Essay von Klaus Honnef nach, den dieser 1969 für die von ihm selbst ausgerichtete Ausstellung zu Gerhard Richter im Aachener „Gegenverkehr“ geschrieben hatte. Beachtlich ist hier nicht nur die Tatsache, dass die von Honnef verantwortete erste museale Werkpräsentation mit Katalog in Aachen die kurz danach einsetzende internationale Reputation Gerhard Richters bis hin zur Biennale-Nominierung und „documenta 5“-Teilnahme in Gang gesetzt hatte – ebenso sehr, wenn nicht gar noch bemerkenswerter ist in diesem Kontext der vom Künstler selbst befürwortete Nachdruck des bereits einige Jahre früher geschriebenen Textes von Klaus Honnef aus dem Katalog der „Gegenverkehr“-Ausstellung.

Liest man den Aufsatz heute vor dem Hintergrund einer 25 weitere Jahre umfassenden Werkentwicklung, so werden die Gründe für Richters Hochschätzung dieser ersten eingehenden Analyse seines malerischen Frühwerkes offenkundig. Denn anders als seinerzeit üblich hatte Honnef sein Augenmerk nicht auf die Pop Art-verwandte Banalität der Richterschen Bildmotive konzentriert, sondern das Wie des Malens, die Bildsprache selbst, in präzisen Werkbeobachtungen untersucht. Die Schlussfolgerungen, die der Autor damals zog, haben erstaunlicherweise bis heute nicht von ihrer pointierten Genauigkeit verloren.

Honnef sah als erster Richters „Malen in der Unsicherheit gegenüber der Wirklichkeit und Kunst angesiedelt“ und diagnostizierte in dieser Unsicherheit die eigentliche Thematik bei Richter; eine Erkenntnis, die ihre Bestätigung malerisch im fortgesetzten Prinzip der Stilbrüche sowie intellektuell in der permanenten Skepsis des Künstlers gegenüber der Wirklichkeit und ihren Abbildern gefunden hat.

Weil Klaus Honnef als Ausstellungsleiter des Westfälischen Kunstvereins Münster und später im Rheinischen Landesmuseum Bonn die avancierte Kunst der siebziger Jahre mit engagierter Leidenschaft und professioneller Neugier begleitete und kommentierte, steht sein Autorenname häufig ganz am Anfang jener bibliographischen Daten, die Künstler vom Rang Sigmar Polkes, Reiner Ruthenbecks oder Hanne Darbovens bis heute als besonders wichtige Marksteine in der Rezeptionsgeschichte ihres Schaffens verzeichnen. Einige der Texte, die seinerzeit in nur geringer Katalogauflage erschienen, Vorträge, die nicht gedruckt werden konnten, sind durch die Aufnahme in diese Schriftensammlung wieder oder erstmals zugänglich und bekunden eine weitsichtige Urteilsfähigkeit und eingehende Werkuntersuchung ihres Autors, die dem Zeitgeist häufig um einiges vorauseilte, aber auch den Mut zur selbstkritischen Urteilskorrektur nicht ausschloss.

Umfassende publizistische Pionierarbeit hat Klaus Honnef – das bringt die Mehrzahl der hier versammelten Essays in Erinnerung – im Bereich der Fotografie aufzuweisen. Ihm, der 1977 – damals noch heftig umstritten – der Fotografie als künstlerische Ausdrucksform eine gleichwertige Stellung neben den etablierten Gattungen der bildenden Kunst auf der „documenta 6“ einräumte, kommt im Rückblick das Verdienst zu, die Fotografie aus den Niederungen kommerzieller Gebrauchskunst herausgeholt und sie in das Territorium der hohen Kunst eingegliedert zu haben. Als erster beschäftigte er sich an konkreten Beispielen konzeptueller und aktionistischer Kunst mit den neuen, jenseits des Dokumentarischen angesiedelten Funktionen, die das fotografische Bild als mediales Instrument bei Künstlern wie Jürgen Klauke, Christian Boltanski oder Jochen Gerz erhielt.

Aber nicht nur derartige Positionen künstlerischer Nutzungen, die dem Medium Fotografie in den siebziger Jahren einen innovativen Stellenwert im Kunstkontext eroberten, interessierten Klaus Honnef. Da sich sein Faible für die Lichtbildkunst aus seiner „Liebe zum Kino“, wie er selbst gern betont, und keineswegs aus kunsttheoretischer Motivation heraus entwickelte, nahm er jede sich bietende Gelegenheit wahr, um über alle Bereiche der Fotografie schreibend zu reflektieren. So gab ihm das journalistische Engagement der großen Fotografin Gisèle Freund, deren Bedeutung Honnef im Übrigen als erster in Deutschland wahrnahm, den Anlass, die Fotoreportage als historisches Dokument zu analysieren, während der Blick auf Foto-Installationen von Christian Boltanski dazu motivierte, den Unterschied zwischen professioneller und Amateurfotografie herauszufinden und eben die Kriterien der Amateurfotografie als die von Boltanski genutzten künstlerischen Ausdrucksmittel zu entdecken. Seiner Aufmerksamkeit entgingen auch keineswegs die ersten künstlerischen Experimente mit der Sofortbildkamera, und wie er die Modefotografie einer oberflächlichen Klischeebewertung entreißen konnte, so enthüllte er gleichwohl die Wandlungen der Bildnisfotografie als Spiegelungen einer Selbstentfremdung des Menschen im Verlauf unseres Jahrhunderts.

Aus der intensiven Beschäftigung mit den großen Repräsentanten des deutschen und internationalen Fotojournalismus und der künstlerischen Fotografie, aber auch aus dem interpretatorischen Nachzeichnen spezifischer Entwicklungslinien der Fotografie-Geschichte, wobei die Werke selbst stets hautnah den Ariadnefaden stellen, vervollständigt sich das im Verlauf der Jahre mosaikhaft zusammengelegte Gerüst einer kritischen Geschichte der Fotografie mitsamt dem ersten Versuch ihrer theoretischen Fundamentierung, die nicht von ungefähr auf Walter Benjamin und Siegfried Kracauer rekurriert. Dabei vernachlässigt Klaus Honnef nie den sinnlichen Bezug seiner Reflexionen zu den Kunstwerken selbst. Unumwunden bekundet er seine ausgesprochene Vorliebe für bestimmte Fotografenpersönlichkeiten und scheut sich nicht, etwa den Voyeurismus der Modefotografie bis in die Wahl seiner Worte hinein auszukosten. Mit seiner exzellenten Begabung, gesehene Bilder in Sprache verwandeln zu können, versteht es Klaus Honnef, seine eigene direkte Augennähe zu Werken der Kunst schreibend beschreibend auf den Leser zu übertragen. Nicht zuletzt deshalb war und ist er ein begabter Autor.

Karin Thomas: Nachwort, in: Klaus Honnef. „Nichts als Kunst…“. Hrsg. von Gabriele Honnef-Harling und Karin Thomas, DuMont, Köln 1997

 

John Anthony Thwaites: Klaus Honnef und der Italienische Konstruktivismus

Eine unbekannte Kunstbewegung zu entdecken scheint in unserer Zeit, da Information großgeschrieben wird, ein Ding der Unmöglichkeit. Trotzdem ist dies Klaus Honnef mit seiner ersten Ausstellung im Kunstverein Münster gelungen. Er präsentiert den Italienischen Konstruktivismus der dreißiger und der sechziger Jahre. Man findet diese regional bestimmte Stilrichtung in keinem der Geschichtsbücher und bis jetzt auch in keiner Kollektivausstellung außerhalb Italien.

John Anthony Thwaites, Saarbrücker Zeitung/Kunstjahrbuch 2 – Ausstellungen des Jahres 1970/71

 

Heinz Ohff: Standardwerk zur Concept Art

Die gegenwärtige Kunstszene ist, einem oft missbrauchten Schlagwort zufolge pluralistisch gelagert, also schwer überschaubar. … Den bei weitem besten Über- und Einblick ermöglicht jetzt Klaus Honnef. Sein Concept-Art-Buch beschreibt nicht nur knapp und klar, woher dieses alles kommt (von Duchamp, Moholy, den Konstruktivisten und Minimalisten), es belegt den Stand der Dinge nicht nur durch gut gewählte Bildbeispiele, es wird auch gleich, im Sinne der Concept Art, selbst zu Kunst, da vierzehn prominente Vertreter dieser Richtung eigene Ideen beigesteuert haben – das erste Standardwerk, das Concept Art im Übrigen abgrenzt gegen Action Art oder Land Art.

Heinz Ohff │Der Tagesspiegel, 28.05.1972

 

Jürgen Becker: Ebenso agiler wie sensibler Scout

Hier und in einer weiteren Halle im dritten Stock [des Rheinischen Landesmuseums Bonn] hat ein wichtiger Mann der deutschen Kunst-Szene sein Revier, seine „Spielwiese“: Klaus Honnef. Es ist für die Offenheit, den weiten Horizont dieses zunächst doch auf Region und Provinz bezogenen Museums bezeichnend, dass es diesen ebenso agilen wie sensiblen Scout beschäftigt, das heißt einen Kenner und Interpreten, dessen Beziehungen zum internationalen Kunstgeschehen die Bonner Szene nur lebendig machen können.

Jürgen Becker │Die Zeit, Nr. 51, 10.12.1976

 

Willi Bongard: Offenkundig unfähig

Wenn die „anspruchsvollste und berühmteste moderne Kunstausstellung [documenta 6] in der Welt“ (so frohgemut der „Spiegel“ in der Ausgabe Nr. 10/77) den Erwartungen auch nur halbwegs entsprechen und ihren Ruf wahren soll, dann gilt es zu verhindern, … dass die Verantwortung für die Abteilung Photographie, der zweifellos großes Interesses zukommt, dass diese große Verantwortung, der nur mit ebenso großer Kenntnis gerecht zu werden ist, in den Händen eines Teams (Klaus Honnef/Evelyn Weiß) bleibt, das offenkundig unfähig ist, auch nur die elementarsten Kriterien für Qualität zu entwickeln…

Dr. W. Bongard │art aktuell. Vertrauliche Informationen über die Internationale Kunstszene, Mitte März 1977

 

Leica-Fotografie: Die lichtbildnerischen Leistungen der documenta 6

Auf nach Kassel… Die Aufforderung, die in der Überschrift liegt, sei hier mit Nachdruck wiederholt. Denn bis zum 2. Oktober d. J. [documenta 6, 1977, Abteilung Fotografie: Klaus Honnef/Evelyn Weiß] … ist in Kassel Gelegenheit, eine ungewöhnlich umfangreiche, eine wahrhaft einmalige Schau lichtbildnerischer Leistungen zu betrachten. Besser gesagt: zu studieren… Wie nimmt sich das nun in Kassel aus? Überwältigend im Umfang, das sei gleich vorausgesagt…

Es wurde schon angedeutet, dass die Vorgeschichte der diesjährigen documenta mit allerlei Getöse verbunden war… Ausgangspunkt für die Kritik war die sehr starke Betonung der historischen Seite. Schließlich ist die documenta ja dazu da, die jüngste Gegenwart der Kunst zu dokumentieren – und zukunftsweisende Tendenzen aufzuspüren.

Diesem Vorwurf ist dreierlei entgegenzuhalten. Erstens: Bei einem so epochalen Ereignis, wie es die urplötzliche, massive Einbeziehung der Fotografie bedeutet, ist eine umfassende Bestandsaufnahme, die ja zugleich die Begründung für die Neuerung darstellt, nicht nur möglich, sondern sogar geboten – als „Einstieg“, wie man wohl sagt. Weiterhin: Die Beispiele aus der Fotohistorie (überraschend viele Originale darunter) werden in Kassel nicht als Belege für eine technische oder stilistische Chronologie gegeben (wie sonst vielfach), sondern sie stehen jeweils stellvertretend für die verschiedenartigen, dem Medium Fotografie eigenen Inhalte und Methoden. Und schließlich: Das Zukunftweisende, jener der documenta angemessen Avantgardismus – sie sind ja ebenfalls charakteristisch präsentiert!

B.L. │Leica-Fotografie, 01.09.1977

 

Lothar Schmidt-Mühlisch: Fotografie-Pionier im Museum

Als Klaus Honnef 1974 nach Bonn kam, erwartet man von ihm, getreu seinem Wirken in Münster, Aachen und bei der „documenta“, eigentlich die besondere Betonung der „Avantgarde“, speziell der Konkreten Kunst. Aber Klaus Honnef sah in kluger Einschätzung der Möglichkeiten, dass hier der Rückstand nicht mehr einzuholen war und die finanziellen Mittel auch nicht ausreichten. Im Bereich der Fotografie aber, die sich damals international auch in den Museen durchgesetzt hatte, waren die meisten anderen deutschen Kunststätten Schlafwagen gefahren. So setzte Honnef beim Landschaftsverband durch, dass eine Sammlung (eine der ersten deutschen Museums-Fotosammlungen überdies) eingerichtet wurde. Wesentlicher aber wurde es, dass er eine systematisch ordnende Ausstellungsreihe schuf.

Lothar Schmidt-Mühlisch │Welt, 29.03.1979

 

Bonner Anzeigenblatt: Unruhiger Geist

Honnef ist im Rheinischen Landesmuseum unter anderem für Ausstellungen zuständig. In dieser Funktion hat er Bonn einige sehens- und diskussionswürdige Erlebnisse beschert. Er gilt als unruhiger Geist, der mit Engagement, zuweilen auch mit einem Eifer, der schon an genialen Starrsinn grenzt, seine Ansichten über Kunst und Künstler vertritt.

A.F.W │Bonner Anzeigenblatt, Nr. 43, 24./25.10.1979

 

Monika Jühlen: „Lichtbildnisse“ – ein Standardwerk der Foto-Literatur

Ein in jeder Beziehung gewichtiges Werk krönt die vielbeachtete Ausstellungstrilogie „Lichtbildnisse“ des Rheinischen Landesmuseums: Vor kurzem legte der Kölner Rheinland-Verlag das mit Spannung erwartete gleichnamige Handbuch vor, das nicht nur durch sein imponierendes Volumen die herkömmlichen Ausstellungspublikationen weit in den Schatten stellt. Zweifellos hat Herausgeber Klaus Honnef mit diesem ebenso fachlich fundierten wie attraktiv gestalteten Buch ein Standardwerk der Foto-Literatur geschaffen und damit zugleich einen wesentlichen Meilenstein innerhalb der nach wie vor äußerst lückenhaften Erforschung dieses jungen Kapitels der Kunstgeschichte gesetzt.

Monika Jühlen │General-Anzeiger, 19.08.1982

 

magazin der bundeshauptstadt: Rare Sorte Mensch

„Die Wahrheit der Fotografie ist die Lüge“, sagt einer, der es wissen sollte. In dem kleinen Örtchen Seifen am Rand des Westerwaldes hinter den Sieben Bergen bin ich ihm zum ersten Mal begegnet, dem Klaus Honnef. Da ist wieder mal einer, den man mögen muss oder nicht, war mir schnell klar geworden. Der Klaus Honnef ist einer, den ich mag. Bei dem geht zwischen Sympathie und Antipathie gar nichts. Diese Sorte Mensch ist rar.

O.N. │magazin der bundeshauptstadt, Heft 4, August/September 1986