Leica-Fotografie: Die lichtbildnerischen Leistungen der documenta 6

Auf nach Kassel… Die Aufforderung, die in der Überschrift liegt, sei hier mit Nachdruck wiederholt. Denn bis zum 2. Oktober d. J. [documenta 6, 1977, Abteilung Fotografie: Klaus Honnef/Evelyn Weiß] … ist in Kassel Gelegenheit, eine ungewöhnlich umfangreiche, eine wahrhaft einmalige Schau lichtbildnerischer Leistungen zu betrachten. Besser gesagt: zu studieren… Wie nimmt sich das nun in Kassel aus? Überwältigend im Umfang, das sei gleich vorausgesagt…

Es wurde schon angedeutet, dass die Vorgeschichte der diesjährigen documenta mit allerlei Getöse verbunden war… Ausgangspunkt für die Kritik war die sehr starke Betonung der historischen Seite. Schließlich ist die documenta ja dazu da, die jüngste Gegenwart der Kunst zu dokumentieren – und zukunftsweisende Tendenzen aufzuspüren.

Diesem Vorwurf ist dreierlei entgegenzuhalten. Erstens: Bei einem so epochalen Ereignis, wie es die urplötzliche, massive Einbeziehung der Fotografie bedeutet, ist eine umfassende Bestandsaufnahme, die ja zugleich die Begründung für die Neuerung darstellt, nicht nur möglich, sondern sogar geboten – als „Einstieg“, wie man wohl sagt. Weiterhin: Die Beispiele aus der Fotohistorie (überraschend viele Originale darunter) werden in Kassel nicht als Belege für eine technische oder stilistische Chronologie gegeben (wie sonst vielfach), sondern sie stehen jeweils stellvertretend für die verschiedenartigen, dem Medium Fotografie eigenen Inhalte und Methoden. Und schließlich: Das Zukunftweisende, jener der documenta angemessen Avantgardismus – sie sind ja ebenfalls charakteristisch präsentiert!

B.L. │Leica-Fotografie, 01.09.1977